Besondere Tisch–Ereignisse

Mittags Hausmannskost  im Schumacher und etwas Lit-Kopfkost
24.10.2019
12:00 Uhr

Mittags Hausmannskost im Schumacher und etwas Lit-Kopfkost

"Liebe Tischfreunde,

morgen mal wieder gute Hausmannskost.

 Donnerstag 24. Oktober 2019

 12:00 bis 14:00 Uhr Mittagstisch in der Brauerei Schumacher, Oststraße

 Wie immer freue ich mich, Viele von Euch zu sehen

 Euer Tischbaas Gerd!"

 

Schon seit inzwischen einigen Jahren gibt es sie, diese informellen und unregelmäßig über das Jahr verteilten Mittagstreffen unseres Tisches im "Schumacher" an der Oststraße. In jeweils - tageszeitbedingt recht - kleinem Kreis ganz unspektakuläre Mittagsschwätzchen über 'Gott und die Welt', weswegen sie in diesen "Besonderen Ereignissen" - auch mangels Autor(en) - noch nie vorgekommen sind, "Hausmannskost" eben.

Also greifen wir diese Einladung unseres Tischbaas' einfach mal auf und erwähnen den heutigen  Mittagstisch pars pro toto für alle bisherigen und künftigen quasi als ein summarisches "Besonderes Ereignis" - auch mit dem Hintergedanken, dass einer der Teilnehmer mal davon berichten möge, wenn's was Besonderes gegeben hat ...

 

Die Einladung war zugleich Auslöser für diese Mail-Anregung an alle-tgwirtschaft: "Und über gute Hausmannskost hinaus noch ein Vorschlag für m.E. gute Kopfkost (insbesondere für diejenigen unter Euch mit heranwachsenden Kindern als Vorschlag für einen letzten Herbstferientag): Ein Besuch der Museumsmeile Bonn, hier insbesondere (weil nur noch bis zum 03.11.2019) der Bundeskunsthalle mit einer virtuellen Reise „Von Mossul nach Palmyra“ zu der vom IS zerstörten Stadt Mossul/Irak und der von syrischen Streitkräften mit tatkräftiger russischer Luftunterstützung zerbombten Stadt Aleppo/Syrien mit deren zahlreichen unwiederbringlichen Baudenkmälern, zu dem vom IS geschändeten antiken Ruinenensemble Palmyra/Syrien und der gefährdeten ehemaligen römischen Großstadt Leptis Magna/Libyen. Virtuell, weil ...."

Franks Replik "... So schnell wird man ja an diese Stellen leider nicht wieder hinfahren können" trifft zum Glück nicht zu auf eine andere Gegend mit alt-islamischer Baukunst im M-Vierklang

              Moscheen - Minarette - Medresen - Mausoleen 

die Euch Lit aus seinem 'Kultur'-Beutel nahe legt: Usbekistans Teil der Seidenstraße mit den Schönheiten der Bauphasen zwischen 7. und 16. Jahrhundert u.Z.

Wer sich dafür erwärmen kann, besuche es bald! Anschwellende Besucherströme insbesondere nun aus dem asiatischen Raum (chinesische Reisegruppen!) werden diesen jeweils auf relativ engem Raum konzentrierten Sehenswürdigkeiten das gegenwärtige Schicksal vieler schöner Ziele weltweit bereiten: Man tritt sich auf die Füße, und vor lauter Touristen kann man bald nichts mehr sehen, schon gar nicht in Ruhe und Muße. Die dortige staatliche Planung geht für die nächsten 10 Jahre von einer mind. Verdoppelung der Besucherzahlen jedes Jahr aus - auch wenn die Infrastruktur für solche Zahlen (noch) nicht vorhanden ist. Volkswirtschaftlich verständlich, aber es zeichnet sich das nächste Barcelona, Dubrovnik, Kotor usw. ab! 

Besuchenswert allemal!

Ob Chiwas kleine 'Museums'-Altstadt innerhalb der wuchtigen Stadtmauer aus Lehm, schon jetzt 'voll gelaufen' und nur noch touristisch,

ob das lebhafte Bukhara mit längst nicht nur, aber besonders dem beeindruckenden Poi-Kalon-Komplex (Ausschnitt):

                                               

ob das von alters her gerühmte Samarkand, Höhepunkt der Reise mit nicht nur, aber insbesondere dem dortigen spektakulären, in seiner ausgewogenen architektonischen Schönheit dem Königsplatz im persischen Isfahan durchaus nahe kommenden "Registan Platz", umrandet von drei Medresen (Koranschulen) aus drei Jahrhunderten:

                              

Hauptstadt des Reiches von Amir Timur alias Timurlan, von dem wir aus unserem Geschichtsunterricht fast nichts nicht wissen, schon gar nicht, dass er mit Xerxes I., Alexander d. Gr., Trajan und Dschingis Khan einer von insgesamt fünf Herrschern ist, die sich in der älteren Geschichte ein Weltreich zusammenerobert haben (seines reichte vom Schwarzen Meer bis an Chinas Grenzen). Auf seinen Feldzügen wütete er so grausam wie keiner der Vorgenannten, gleichzeitig requirierte er dabei für die Hauptstadt seines Riesenreiches nicht nur Schätze, sondern auch die besten Baumeister, Künstler, Handwerker, Wissenschaftler, um seine Hauptstadt zu einer der prächtigsten der damaligen Welt zu machen.

Dank sehr engagierter, wissenschaftlicher Restaurierung während der Sowjetzeit ist vieles davon erhalten. 

oder Shahrisabz nicht allzu weit von Samarkand, Geburtsort von Amir Timur : Oq Saroy, Ruine seines gewaltigem Palast (1404): 

                                        

(Den verloren gegangenen, 50 m hohen Torbogen muss man sich dazudenken).

In Sharisabz ist schon sichtbar, wie die Regierung die künftige Darbietung der usbekischen Sehenswürdigkeiten gestalten will: Die Altstadt wurde abgerissen, um einem riesigen Platz Raum zu geben, in dem die Baudenkmäler wie in einem Museum besucht werden können - ein durchaus umstrittener Ansatz (dann werden sich die Touristen zwar nicht mehr im Straßengewirr auf den Füßen stehen, sondern an den Eingängen zu den Baulichkeiten). 

Wen's interessiert, der reise bald! Gut mit dem

- Aktuellen "Reiseführer Usbekistan", I. u. B. Thöns, Trescher Verlag, 2019

 

Dazu passend auch mal wieder etwas ex libris literati, für den geneigten Leser, der tiefer einsteigen möchte:

Als nachdenkliche Lektüre jenseits des Touristischen regen die rapiden Fortschritte Asiens und darin inzwischen auch der zentralasiatischen Ex-Sowjetrepubliken in jüngster Zeit weit über die Sehenswürdigkeiten hinaus zu allgemeineren Betrachtungen an: Anders als die historische Seidenstraße und ihre 'Nebenstraßen', reine Transporttrassen für die Warenströme aus China und Indien nach Nahost und Europa, könnte die neue Seidenstraße nicht Durchleiter, sondern Nervenstrang einer sich dort vollziehenden Industrialisierung werden - mit der Liefer-Blickrichtung gen Osten und damit Teil eines wieder auflebenden verflochtenen Großraums Asien. Europa könnte darob gar in den Bedeutungsstatus zurückfallen, den es in Asien vor den großen Eroberungen westlicher Mächte nur hatte! Müssen wir nicht endlich weg von unserem überholten erstwelt-zentrierten Blickwinkel hin auf das, was sich Zukunftsträchtiges an den neuen Seidenstraßen und bei den fernöstlich daran Angrenzenden tut? Eigene beachtliche Rohstoffabkommen der Turkstaaten einerseits und andererseits das (gewiß auch darauf gerichtete) überaus ehrgeizige chinesische Seidenstraßenprojekt entfalten eine bei uns bislang eher wenig beachtete wirtschaftliche und damit auf Sicht geopolitische Dynamik, die Merkels Warnung vor "dem bösen Erwachen deutscher Unternehmen vor großen Abhängigkeiten" (Digitalgipfel in Dortmund - 'nur' der digitalen Welt?) - in historischen Dimensionen: schon recht bald - subkomplex sein lassen könnte, ex oriente lux mal ganz anders. Napoleons Witzelei "Laisse l'Asie dormir, car quand elle se réveille, elle veut faire trembler le monde" zeichnet das deutlicher - nur, dass Asien nun schon längst erwacht ist.     

"The New Silk Roads - A New History Of The World", Peter Frankopan, Professor für Allgemeine Geschichte in Oxford, Bloomsbury Verlag

Auszug: "What has been striking throughout the events of recent decades is the west's lack of perspective about global history - about the bigger picture, the wider themes and the larger patterns playing out in the region - a broad region that is in turmoil... What we are witnessing are the birthing pains of a region that once dominated the intellectual, cultural and economic landscape and which is now re-emerging. We are seeing the signs of the world's centre of gravity shifting - back to where it lay for millennia."

Während wir uns im Westen Gedanken über Bedrohungen aus dem Mittleren Osten, über religiösen Extremismus, Staaten ohne unseren demokratischen Werte machen, geht dort 'die Post ab': "While we ponder ... how to build relations with peoples, cultures and regions about whom we have spent little or no time trying to understand, networks and connections are quietly being knitted together across the spine of Asia; or rather, they are being restored. The Silk Roads are rising again."

- In "The Future Is Asian - Global Order In The Twenty-First Century", Verlag Weidenfeld & Nicolson, London 2019, nimmt der indische Zukunftsdenker Parag Khanna diesen Faden auf, konsequenter oder radikaler noch als Frankopan: Nach der Europäisierung der Welt im 19. Jahrhundert und der Amerikanisierung im 20. Jahrhundert "is Asianization emerging in the twenty-first century as the newest sedimentary layer in the geology of global civilization." Das 'Wie' wird sich in den nächsten Jahrzehnten zeigen. Es werde wohl nicht, als eine Art historischer backswing, zu einer Marginalisierung des Westens führen, sondern eher zu einer globalen Ordnung: "A new chapter of global history is being written before our eyes, one in which Asian and Western civilizations, the North American and Eurasian continents, all play profoundly important roles". Er endet mit dem letzten Satz "That is where we are on the wheel of global history."

The roller-coaster of history keeps on running, and we in it - um das römische 'tempora mutantur et nos in illis' ein wenig zu variieren.

 

- Nun, "Eine globale Welt setzt unser persönliches Verhalten ... auf beispiellose Weise unter Druck" schreibt Yuval N. Harari in seinem aktuellen Bestseller "21 Lektionen für das 21. Jahrhundert", C.H.Beck 2018 - das Buch ist zwar, kulturphilosophisch angelegt, weit weg von den vorgenannten eher politisch-wirtschaftlich ausgerichteten - und doch im Kontext ganz passend.                 

Nebenbei erwähnt, mit ganz anderem Ansatz, auch von ihm und von Euch zwischenzeitlich wohl meist schon gelesen "Eine kurze Geschichte der Menschheit", Pantheon Verlag 2015, und dessen Quasi-Fortsetzung "Homo Deus", C.H. Beck 2018.

 

Gute Lektüre wünscht

Lit        

  

 

 

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