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Resilient - ein neues Wort geht um in deutschen Landen
04.09.2022
17:38 Uhr

Resilient - ein neues Wort geht um in deutschen Landen

RESILIENT - gern benutzt von A über B und H bis Z

In der Vergangenheit im Deutschen ein Wort in der Nische medizinischer und psychologischer Fachliteratur, hat es nun soeben - aus dem Lateinischen über das Englische - Eingang in unsere (gehobene) Alltagssprache gefunden.

Medizin: Eindrückbarkeit von Gewebe bei Belastung. Psychologie: Fähigkeit, negativen Einflußfaktoren Stand zu halten, ohne eine psychische Störung zu entwickeln, umgangssprachlich wohl: sich nicht unterkriegen lassen.

 

Gerade lesen wir im "TOR" 09/2022 auf S. 12 im Gastkommentar: "Unsere Stadt muss resilient werden, wenn sie zukunftsfest sein soll ... und zu einer klimaresilienten Stadt durch Gebäudebegrünung und Urban Gardening" werden." Aha, resilient, klimaresilient, grün - 'türlich.

Für Außenministerin Baerbock muss unser Land gegen die kriegerischen Attacken des russischen Präsidenten resilient werden - und überhaupt. Jawoll!

Kein Mitglied des Bundestages dieser Tage, das nicht Resilienz für dieses und jenes fordert. Besonders natürlich für die nicht-resilienten sozial Benachteiligten ein echt resilientes Finanzsozialpaket in the name of all-resilient Hubert Heil.

Oder H wie Bundeswirtschafts- und-was-sonst-noch-Minister Habeck, nicht ganz freiwillig, sondern Grün-Parteiseitig gezwungen 'aber sowas von' total resilient gegen den Einsatz von rettendem Atomstrom aus noch nutzbaren deutschen Meilern, dafür lieber aus - leider zu > 50 % derzeit stillliegenden - französischen und aus angeblich maroden belgischen Kisten (wann wird Aachen evakuiert?) und unseren garantiert CO2-freien Kohleverbrennern.

Und unsere Zeitungen haben in den zurückliegenden Monaten "resilient" gern und für alle möglichen Anwendungsbereiche usurpiert.

Da springt einem doch glatt die elastische Sprungfeder aus dem Kopf - so viel Druck hält keine Schädeldecke aus, von der dann noch die Lanze abprallt. Wie bitte, spinnst Du, Lit? OK, liebe Tischfreunde, nur noch ein wenig Resilienz, ein paar Zeilen bis zur Erklärung:

 

Gehen wir dem Wort mal nach:

In Lits "Wahrig Deutsches Wörterbuch" von 1980 kommt es noch nicht vor, wo es zwischen renitent und resistent stehen müsste. Und, scheint's, derzeit meist auch so verwendet wird. Man kann sich also des Eindrucks nicht erwehren, dass vielfach gar nicht so recht gewusst wird, wofür genau es benutzt wird.

Im "Etymologischen Wörterbuch der Deutschen Sprache" kommt es nicht vor - klar, ist ja kein Wort der deutschen Sprache.

Nehmen wir am besten Lits Schul-Lateinlexikon "Der Kleine Stowasser": resilire 1) zurückspringen, 2) abprallen (wie in: sarisa resilit=die Lanze prallt ab), 3) vom Kauf zurücktreten, abspringen, 4) sich zusammenziehen, schrumpfen. Manno, Setz das mal ein in den Satz oben aus dem Gastkommentar, da prallt einem doch wirklich glatt die Lanze ab!

Auch noch das alte Pocket Oxford Dictionary von Lits Großvater von 1934 gegriffen: resilience = power of resuming the original form after compression etc., elasticity, adj. resilient. Also die technische Elastizität etwa einer Metall-Springfeder unter Druck.

Duden Oxford Dictionary von 1991: resilience a) Elastizität, b) Unverwüstlichkeit, adj. resilient.

"Der Große Eichborn Englisch/Deutsch für Wirtschaft, Recht, Verwaltung..." beschränkt sich auf oben Latein 3): resile from a contract.

 

Verwenden wir es, wenn wir es denn verwenden, so, wie aus der Psychologie abgeleitet: Etwa wie die zusammengedrückte Stahlfeder auf wegfallenden Druck reagiert: Fähigkeit, sich von Druck zu erholen, auf Herausforderungen zu reagieren. R. ist mehr als Selbstoptimierung, als Krisenresistenz, ist u.a. Transformationsfähigkeit. Oder wie in "eine resiliente Gesellschaft verdrängt sich abzeichnende Krisen nicht" bzw. negativ nicht-resilient wie in "Soziale Systeme brechen zusammen, wenn trotz offensichtlicher oder latenter Probleme so weitergelebt wird wie bisher, man sich nicht anpaßt" - also weiterhin heiß und nicht nur 5 Minuten duscht, wie unser BWM Habeck zur Ukraine-Gas-Krise fordert, oder noch besser ganz zur stinky Waschlappenreinigung zurückkehrt, wie Baden-Württembergs MP Kretschmann anregt ("mach ich immer so", hinzufügend).

 

Am einfachsten angesichts dieser Begriffs-Kakophonie wäre der Verzicht auf "resilient" zurück zu dem jeweils passenden Wort, das der Sprecher/Schreiber gerade tatsächlich meint! Möglichst - zumindest aber so, dass es passt. Und nicht nur Mode, Sprachmode ist.

 

Lit

 

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