Besondere Tisch–Ereignisse

"Der Oper neue Kleider", 4. Akt "Wachsende Zweifel""
23.06.2022
15:15 Uhr

"Der Oper neue Kleider", 4. Akt "Wachsende Zweifel""

Fortsetzung vom 15.09.2021

Die RheinPost meldet am 23.06.2022, S. C2: "Rat entscheidet noch später über Opernstandort. Erst im 2. Quartal 2023 soll der Rat beschließen, an welchem Standort das neue Opernhaus gebaut werden soll. 2025 soll der Rat den letzten Beschluss fällen."

Ob's dabei bleibt, bezweifelt Lit

 

Im Juli 2022 liest man aus Stuttgart diese Nachricht: Die Komplettrenovierung des dortigen, ebenfalls durch jahrzehntelanges Unterlassen rechtzeitiger Teil-Renovierungen maroden Opernhauses steht auf der Kippe. Ursprünglich etwas unter 300 Mio. € Renovierungskosten, befürchtet man inzwischen Beträge um 2 Milliarden € Renovierungskosten. Wegen der Belastungen der Haushalte von Stadt und Land aus den Folgen des Putinschen Angriffskriegs auf die Ukraine, der Mehrbelastung aus den Energiekosten gilt damit die Lösung Komplettrenovierung als gescheitert. Die Alternative: 'Stark abgespeckter Neubau' - oder gar nicht?

Menetekel für die Düsseldorfer Pläne?

 

Noch 'n Nachtrag - wird wohl nicht der letzte sein auf dem langen Weg von der Glanznummer  "Leuchtturm von Weltformat" (2019) über aktuell eine Lachnummer als ne Art Kulturkiosk bis irgendwann, spätestens mit den finanziellen Folgen des Putin'schen Ukrainekriegs unabwendbar, zur Luft- oder Nullnummer. Oder? "Leuchttürme wie die Neue Oper brauchen wir auch in Zukunft", sagt OB Keller den Jonges zu ihrem 25. Heimatabend 2022, Weltformat nicht (mehr). 

Obwohl von Lits ursprünglichem Spaß, sich mit dem Thema näher beschäftigt zu haben, nichts mehr geblieben ist, hat ihn ein sehr ausführlicher Bericht (3/4 Seite FAZ 18.10.2022, S.3) über "Das Bilbao-Geheimnis" wieder zu den Tasten greifen lassen. Erinnert ihn der Artikel doch an seinen, an "Lits Traum vom Düsseldorfer Stadtteil Schöne Künste" im Hafengebiet (s. Besondere Ereignisse 29.07.2021 unserer Tisch-Website).

Einige Kernpunkte des FAZ-Artikels (zum Teil ein wenig umzitiert):

"- Wo sich in Bilbao am Fluss Nervión das von Frank Gehry entworfene Guggenheim-Museum erhebt, legten früher die Frachtdampfer an, hämmerten die Werftarbeiter, qualmten die Hochöfen, hatte sich das schmutzige Herz des spanischen Ruhrgebiets etabliert, gähnte eine graue Industrieruine. Heute surrt nur die elektrische Straßenbahn am Rande des Skulpturenparks vorbei, ist das Museum zum Symbol für die Wiedergeburt einer Stadt geworden, die in den Neunzigerjahren am Ende war.

- Nach nur 4 Jahren und 140 Mio. Euro war das Museum fertig, zu hundert Prozent von baskischen Unternehmen errichtet, mit baskisch-öffentlichen Finanzmitteln [nicht von den "reichen Winzern"] bezahlt. Die Investition zahlte sich bald aus. Sie zeigte, dass Kultur kein Luxus, sondern ein Wirtschaftsfaktor ist. In nur 4 Jahren hatten Stadt- und Regionalregierung die Kosten durch dadurch generierte zusätzliche Steuern wieder eingenommen, bis heute waren es insgesamt mehr als 900 Mio. Euro, dazu ein Beitrag von 5,8 Mrd. Euro zur regionalen Wirtschaftsleistung [fast 6.000 neue Arbeitsplätze wie früher in der Werftindustrie; aus Übernachtungsgewerbe, Gastronomie...].

- Mehr als 24 Millionen Besucher - gut 2/3 davon Ausländer - brachte das Museum schon nach Bilbao. In diesem Jahr erwartet man, 'nach Corona' wieder die Marke 1 Mio. Besucher im Jahr zu erreichen. Nicht nur Kunstpilger, auch zahllose Bürgermeister und Stadtplaner, um das Geheimnis des "Bilbao-Effekts" zu ergründen - und zu Hause nachzuahmen. In Bilbao können sie lernen, dass viel mehr als 'nur' ein extravagantes Museum nötig ist, damit Kunst [Kultur] eine solche Kraft entfalten kann. Dass das Museum kein einmaliger, in seiner Wirkung allmählich verpuffender Kraftakt (wie Barcelona, Sevilla) war, sondern der vielleicht wichtigste Meilenstein auf einem langen Weg, der in Bilbao noch lange nicht zuende ist. Im Geiste der ständigen städtischen Neuerfindung  über die nächsten 50 bis 100 Jahre.

- Die Verantwortlichen damals hatten einen Masterplan, entwickelt von der berühmten irakischen Architektin Zaha Hadid, Pritzker-Preisträgerin (quasi der Nobelpreis für Architektur). Für die Umsetzung ihres Masterplans hatte sie 7 weitere Pritzker-Preisträger gewonnen - bis hin zu Norman Foster, der die U-Bahn entwarf und derzeit das "Museum der Schönen Künste" erweitert.

..."

 

Passt das nicht zu Lits damaliger Gedankenskizze zur nachhaltig erfolgreichen Weiterentwicklung des Standorts Düsseldorf? Ein menschenleerer, hässlicher, namenloser 'Stadtteil' zwischen Medienhafen, Eisenbahn links, Rhein rechts bis zur alten Rhein-Eisenbahnbrücke mit vor allem Kleingewerbe und entsprechender Bebauung, aus dem sich mit architektonischer und unternehmerischer Weitsicht 'ne Menge machen lassen müsste. So wie in Bilbao, wo um das Museum herum mehr als 5.000 neue Wohnungen entstehen, 15.000 Menschen leben werden, mit schon gebauter Universität, Designzentrum etc. Die Ansätze rund um die Opern in Oslo, Kopenhagen... sind gleich.

"Ach was, unsere Neue Oper, Kultur gehört in die Innenstadt, nicht in einen öden Stadtteil", war ein häufiges Gegenargument - auch an unserem Tisch, sofern das Thema Oper dort überhaupt vorkam (s.o. > 80 % Desinteresse bei der Jonges-Befragung). Nun, "für Gehry stand in Bilbao sofort fest, dass sein Museum an die trostlose Fabrikbrache am Ufer gehörte - nicht ins Zentrum, wie die Stadt vorgeschlagen hatte", denn dann ist es bald nicht mehr öd.

"Quatsch! Weit weg, nicht erreichbar, nicht mal ne Straßenbahnverbindung" kam als nächstes, Rolly Du erinnerst Dich. Nun, Zaha Hadid wusste mit ihrem Masterplan für Bilbao die richtige Antwort auch auf diese dort ebenfalls geäußerte Kritik. "Sie behielt recht: Der Fluss ist die grüne Achse der Stadt. Bahnstrecken, Straßen und Autobahnen wurden unter die Erde verlegt, zudem wurden die Metro und eine Trambahn gebaut", Anbindung ist kein Thema - im Gegenteil, die alte Stadt muss sehen, wie sie in der Besuchergunst mitkommt.

"Lieber Uwe," antwortet Rolly am 22.10.2022, "jetzt komme ich in Ruhe dazu Deinen bemerkenswerten Openbeitrag zu lesen. Er ist toll. Max und ich sind im Workshopverfahren eingebunden. Kosten nur dafür 2 Mio.? Nächste Woche erster Termin. Ich glaube das Thema Oper wird geschoben. Wir haben schon 1,7 Mrd. Schulden. Die Kosten werden sich auf 1 Mrd.erhöhen. Wer soll das bezahlen. Das ist noch nicht mal der grosse Wurf nach Deiner Vision. Ich bin gespannt. Danke für Deinen tollen Beitrag..."

 

Zwischen-Nachschlag v. 16.02.2023, Rheinische Post 16.02., S. C1: "Die neue Oper gibt's erst in zehn Jahren". 2 Standorte (Heinrich-Heine-Allee, Ex-Kaufhof-Areal Am Wehrhahn) und 7 Entwurfsfinalisten sind übrig geblieben. Vom großmäuligen "Leuchtturm auf Weltniveau" ist nichts geblieben und damit nichts vom beschworenen 'Bilbao-Effekt', mit dem die Investition in einem überschaubaren Zeitraum amortisiert werden könnte. Die erste Aufführung sei für 2033 zu erwarten, und für die Überbrückungszeit zieht die Oper in eine noch nicht benannte "Interimsspielstätte in einem Bestandsbau der Stadt" um.

 

Lits nach allem wenig überraschendes Fazit, trauriger Ausblick: Mit Blick etwa auf die Situation bei den Opernhäusern Köln und Stuttgart sind Zweifel an den inzwischen aufgerufenen 750 Millionen Euro Baukosten erlaubt, > 1.500 Mio. dürften es eher werden. Wenn kein 2. Stadtbudget-Wunder geschieht (das 1. war der Verkauf der städtischen Anteile an den Stadtwerken), wird das der Kämmerer kaum 'wuppen' können.  Ebenso angebracht sind Zweifel am Zeitplan, denn nur für die Rodung von 30 Bäumen im angrenzenden Hofgarten wird es Anfang 2050 geworden sein - sind doch Zahl und Wirkungsmacht der alle Gerichtsinstanzen bemühenden Baumschützer bei weitem höher als  die der 'elitären' Opernfreunde.

Nein, längst vorher könnte sich das Publikum an die Interimsspielstätte ohne Kulissenschieben vermutlich überwiegend in konzertanter Aufführung so gewöhnt haben, dass es keinen mehr nach der 'Oper für alle' - bislang eh ein weißes Blatt, eine Schimäre - gelüstet, auch wegen des altersbedingt rapiden Einbruchs der Opern-Nachfrage.

 

 

Die Entwicklung geht weiter, gen Süden, also abwärts.

So heißt es in der RheinPost v. 17. und anschließend 20. Mai 2023 "Ratsmehrheit fällt bei neuer Oper auseinander: Die schwarz-grüne Ratskooperation geht beim Großprojekt Oper getrennte Wege. ... Die Führungskräfte von Partei und Fraktion der Grünen wollen die Oper jetzt nicht weiter planen. ... Den Neubau kann es vielleicht später geben."

Und die SPD stellt ein für Sozialpolitiker (Merkmal: gut im Ausgeben anderer Leute Gelder) typisches Junktim her: Neue Oper ja, aber nur, wenn die Stadtspitze ein entsprechend volumiges Wohnungsbauprogramm aufzulegen garantiert. Zusammen 2+ Miliarden Euro - wenn die erste Milliarde nicht da ist, kann man schonmal eine zweite nachschieben - aber egal, Hauptsache, es klingt sozialgut.

Derweil schwätzt der OB weiterhin vom städtebaulichen "Leuchtturmprojekt, mit dem die Stadt auf dem Niveau der Champions League spielen wolle". Dieser Zug eines großen Wurfs mit Bilbao-Effekt war mit dem Rückzug auf 'klein-klein', auf die Provinzlösung in Lage, Konzept und Bau doch längst abgefahren - und droht 'dank' 50 Grünen nun vollends zum Stehen zu kommen. "Der Ausstieg der Grünen hat die Debatte um den Neubau angefacht: 'Mit dem von der Stadt bezahlten Taxi zur neuen gemeinsamen Düsseldorf-Duisburger Oper nach Duisburg'", rät doch ernsthaft der Leiter der Düsseldorfer Niederlassung eines internationalen Immo-Maklerunternehmens und, nicht zu glauben, Vizepräsident der hiesigen IHK.

Warum nicht gleich je Opern-/Ballettabend, also ca. 4x die Woche 'nen Sonderzug nach Pa..., äh Duisburg ab H.-H.-Allee und retour?

Oder die neue Oper auf der grünen Wiese zwischen Düsseldorf und Duisburg? Nahe am Dü. Flughafen, damit die ca. 600.000 internationalen Besucher im Jahr (s.o. Bilbao-Effekt) gar nicht erst nach Düsseldorf reinkommen, um zu sehen, welche städtebauliche Chance Düsseldorf vergeben hat.

Bei so viel Realsatire musste doch noch ein Leserbrief an die Rhein.Post raus:

"Leserbrief an Rhein.Post 24.05.2023

Zu: 2 RP-Artikel zur Neuen Oper 20.05., 23.05. 2023 (J. Ruhnau)

 „Wie teuer die Neue Oper wirklich wird, steht erst mit dem Ausführungs- und Finanzierungsbeschluss 2028 fest“, schreibt J. Ruhnau am 23.5.. Vergleichbare Fehlschlüsse durchziehen eigentlich das ganze Projekt. Denn nein, wie teuer sie wirklich wird, steht erst, viel später, mit ihrer offiziellen Abnahme fest, wetten: nach 2040 und gewiss nicht unter 1,5+ Mrd. € in jetziger Ausführung (+ eventuelle Kosten aus bei öffentlichen Großprojekten üblichen Zivilklagen). So wurde aus des OB „Leuchtturm von Weltformat“ - mit Chance auf einen städtebaulichen, international attraktiven ‚Bilbao-Effekt‘ von 600.000+ Besuchern im Jahr - bis vor wenigen Tagen ein ‚08/15‘ im Provinzformat, neue „Oper Am Rhein“ nur mit Blick auf ein wenig Strom von der Dachterrasse aus, bis aktuell drohend ‚00/00‘. Hatte 2021 die FAZ noch befürchtet, „die Kämmerer könnten gezwungen sein, zum Spielverderber bei hochkulturellen Ambitionen Gutbetuchter zu werden“, könnten dies nun 50 durch nichts und niemanden legitimierte Stadt-Grüne schaffen.

Ein IHK-Vizepräsident – früher als ernsthaft Wahrgenommene – ermuntert, hoffentlich realsatirisch, „‚per Taxi zur neuen gemeinsamen Oper in Duisburg“. Die Stadtkasse würde das wohl mangels Interesses nur mit ein paar Taxifahrten belasten. Bei wider Erwarten großer Transfer-Nachfrage sollte man besser (CO2!) Udo L.s rockgetriebenen „Sonderzug nach Pan.“ entmotten und an den vier wöchentlichen Spieltagen als wärmepumpenbetriebenen „Sonderzug nach Dui.“ die Abonnenten ab/an Oper/H.-H.-Allee transportieren lassen. Oder, plus chic, per RP-K.D-Yacht zu Candle Light Dinner mit Libretto-Interpretation, dazu Streaming-Clips aus den großen Opernhäusern dieser Erde…

Ernsthaft: Die in nahezu jedem Fall für 1 – 2 Jahrzehnte erforderliche Interimshalle macht es zwangsläufig, dass die Inszenierungen auf ‚Große Ausstattungsoper‘ verzichten (keine Bühnen-, Kulissentechnik…), Regisseure sich (endlich wieder) auf Musik, Solo- und Chorgesang konzentrieren müssen. Ganz neue Wege lassen sich erproben (besagter IHK-Vize: „mit KI und neuen US-Konzepten“), mit denen potentielles Opern-Publikum der 2. Jahrhunderthälfte erreichbar werden könnte (es wird ja meist ‚übersehen‘, dass ca. 80 % der heutigen Kundschaft ab 2040, 2050 nicht mehr Kunden sein werden). Für eine längere Interims-Experimentierphase müsste dies natürlich mit einem Moratorium für alle kostentreibenden ‚alt‘ -Planungen gekoppelt werden, um diese Erfahrungen in die zu überarbeitende äußere und innere Gestaltung des neuen Gebäudes (keine teure Bühnen-, Kulissentechnik, geringerer Klima- und Brandschutzaufwand) einfließen zu lassen. Und währenddessen auch zu prüfen, ob sich in der gewonnenen Zeit mit einem Bau an unserem einzigen Schokoladenstück, dem Rhein, doch noch ein international attraktives ‚Bilbao‘-, gern auch ‚Oslo‘-Ausrufungszeichen setzen lässt, als städtebauliches Projekt, in das sich private Investoren bestimmt gern und stadtsäckelschonend einbringen würden.  

Mit freundlichen Grüßen

Uwe Stiebale"

 

Anm.: Nun ja, für einen Leserbrief zu lang)

 

Fortsetzung 03.06.2023

 

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